[Sonderaufgabe] – Plotting

Dies war eine Aufgabe im Rahmen des Schreibkurses im Oktober 2015.

Wenn man von Plots (Handlungssträngen) redet, fällt oftmals der Begriff Dramaturgie. Dieser Begriff bezeichnet die Komposition, die Struktur eines Dramas oder eines Films, wird aber auch in der Literatur benutzt. Es mag Personen geben, die sofort eine Abwehrhaltung einnehmen, sobald sie plotten oder strukturieren hören, da sie sich in ihrer Kreativität eingeschränkt fühlen. Ein Roman sei doch keine wissenschaftliche Arbeit.
Ich bin aber in dieser Hinsicht ein Freak, wie ihr es schon in meinem Beitrag über die Analyse eines Dialogs bzw. über den Schwanzvergleich gelesen habt. Jeder Roman unterliegt einer Struktur. Diese Plotstrukturen sind nicht zufällig entstanden, sie wurden nicht von irgendeinem Wissenschaftler als Regel erdacht. Die Plotstrukturen basieren auf Erfahrung. Man hat Theaterstücke und Filme analysiert und deren Struktur niedergeschrieben, um herauszufinden, was gute Werke gemein haben.
Selbst in den Werken eines Bauchschreibers (Pantser), die ohne zu plotten drauflosschreiben, wird man einen roten Faden finden. Diese Autoren haben einen Sinn für den Handlungsaufbau, dennoch behaupte ich, dass jeder professionelle Autor plottet – zumindest die Eckpunkte. Ich kann niemanden überreden zu plotten, dennoch empfehle ich, zumindest nach der ersten Rohfassung zu überprüfen, ob die Handlung die genannten Eckpunkte enthält.

Die Aufgabe lautet: Lege die Eckpunkte fest.

Die drei Punkte sind: Einleitung, Hauptteil, Schluss. Egal ob es ein Drama oder eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, wenn man die Struktur vereinfacht, besteht jeder Text aus diesen Punkten. Ich arbeite mit dem 7-Punkte-System von Dan Walls. Das System funktioniert haargenauso wie die 3-Akt- oder 5-Akt-Struktur, nur dass es am ausführlichsten ist.


Ich überlege mir die Prämisse (1. Akt), wofür ich natürlich auch das Ende (3. Akt) kennen muss. Nur wenn ich des Rätsels Lösung kenne, kann ich am Anfang Fragen aufwerfen, die Leser ködern und andeuten, dass es am Ende zum Showdown kommt! Damit sich die Geschichte entwickeln kann, ist der Anfang das Gegenteil vom Ende. Bei einem Happy End einer Liebesgeschichte dürfen die beiden Figuren am Anfang keinesfalls glücklich – im besten Falle noch gar nicht zusammen sein. 

Nachdem ich mich für ein Ende und damit auch für einen Anfang entschieden habe, kommt der längste Teil der Geschichte: die Entwicklung (2. Akt). Interessanter als der Fakt, dass zwei Personen (k)ein Liebespaar sind, ist die Handlung dazwischen, also wie die beiden zusammenkommen. Das Ende ist eh immer gleich. Entweder ist es 1+1=♥ oder 1+1 ≠♥ … vielleicht noch 1+1+1=♥. Was euer Roman von anderen unterscheidet, ist die Durchführung.

Ich arbeite aber nicht mit der 3-Akt-Struktur, auch nicht mit der 5-Akt-Struktur (siehe Romeo und Julia), sondern benutze gleich 7 Punkte. Vom Prinzip her ist es das Gleiche, nur sind die einzelnen Akte in kleinere Einheiten aufgeteilt.
Ich denk mir mal schnell ein Beispiel aus: Ein Mann treibt es mit allen sexy Frauen und lässt sie danach wieder fallen. Am Ende kommt er mit jemandem zusammen, der nicht in sein Beuteschema passt: mittelmäßiges Aussehen, falsches Geschlecht, zu alt (weil: zu jung gibt es nicht XD). Und er ist glücklich und zufrieden.


  • Hook
    Prämisse: Worum geht es?
    Eachann[1] ist ein cooler Rockmusiker. Die Frauen lieben ihn. Meist nur einmal.

  • Plot Turn 1
    Etwas Neues, Unerwartetes geschieht.
    Als eine eifersüchtige Furie ihm in einem öffentlichen Café eine Szene macht, lernt er Gertrude kennen. Gertrude und Eachann amüsieren sich köstlich über die Dame, und er tut etwas, was er sonst nie macht: mit einer Frau reden! Für ihn selbst ist das noch kein Plot Turn, weil er Trudi nicht als Frau ansieht, wir wissen es besser! ; )
    Von da an geht er öfters in das Café, um mit seinem neuen Kumpel zu quatschen.

  • Pinch 1
    Die Figuren stecken in der Klemme. Dieser Punkt eignet sich gut, um den Antagonisten[2] einzuführen.
    Ich entscheide mich für Gertrudes Ex. Dreiecksgeschichten sind toll. Also: Der Ex spioniert ihr hinterher und heckt was ganz Mieses aus (Details entstehen beim kreativen Schreiben). Eachann bekommt den Plan mit und steht nun vor der Entscheidung: Hilft er Trudi, einer Frau? Klar. Auch wenn er dann als Lover missinterpretiert und mit einem blauen Auge geschmückt wird, Freunde halten zusammen.

  • Midpoint
    Hier erlebt der Protagonist eine Entwicklung.
    Eachann sitzt bei Gertrude in der Küche und hält sich eine Packung Tiefkühlgemüse an die Wange. Die Situation ist komisch, freundschaftlich und natürlich zärtlich. 

  • Pinch 2
    An diesem Punkt muss der Druck am größten sein.
    Der liebe Eachann balanciert zwischen zwei Stühlen. Seine Gefühle widersprechen sich mit seinen Prinzipien bzw. er erkennt die Liebe noch nicht als solche. Um diesen Punkt besonders interessant gestalten zu können, ist es wichtig die Motivation, also die inneren und äußeren Ziele des Protagonisten zu kennen (aber heute geht es nicht um Charakterbau). Wir dürfen nicht vergessen, dass Eachann ein Rocker ist und auch in der Musikbranche ein Ziel verfolgt.

  • Plot Turn 2
    Der Held wird zu etwas gezwungen, das ihm unmöglich erscheint. Nur wenn er das tut, worum er sich immer gesträubt hat, kommt er zum Ziel. Ich mag es besonders, wenn die Figur selbst sich ein Hindernis ist, und wenn sie auf Hilfe anderer Personen zurückgreifen muss. Wer im Leben schafft alles allein? Mary Sue?

  • Resolution
    Happy End.
    Eachann und Trudi werden ein Paar. Oder: Die Motive von Trudis Ex werden aufgedeckt, er liebt sie über alles. Trudi geht zu ihm zurück und Eachann bleibt alleine … zumindest hat er einen Plattenvertrag und geht auf Welttournee.

[1] Weil der Protagonist ein toller Hengst ist, habe ich ihm den Namen Eachann gegeben, was Pferd, Hengst bedeutet.
[2] Ein Antagonist muss nicht unbedingt eine Person sein. Es kann auch eine Personengruppe, eine Organisation sein oder eine antagonistische Kraft wie der innere Schweinehund.